Etappe 10 - Rückblick

Erinnern Sie sich noch an das weisse Einhorn am Himmel? Nicht viele werden es damals (vor 10 Tagen) über Zagan bemerkt haben. Aber sowar ich hier nackt im Sommerregen stehe, es war wirklich da. Natürlich gibt es keine zehnte Etappe. Schon der Umstand, dass wir an acht tagen neun Etappen plus rolog gefahren sind, wirkt etwas verwunderlich. Und wenn ich mal kurz in mich gehe, würde ich die 15 min Sandgrube bei Dresden weder am ersten noch am zweiten Tag als Etappe bezeichnen. Klar, hat Spass gemacht ud gute Plätze gebracht. Aber eine Etappe? Darunter stelle ich mir klassischerweise erst Strecken vor, die länger als eine Stunde dauern. Aber so als kleiner Appetizer doch ganz kurzweilig und motivierend. Dennoch, einmal hätte gereicht.

Die zehnte Etappe soll die Breslau aus unserer Sicht als Ganzes nochmal betrachten. Wie wir sie empfunden und erlebt haben. Bevor ich meine anti-halluzinogenen Pharmaka abgesetzt hatte, berichtete ich wahrheitsgemäß von einigen sonderbaren Erlebnissen. Ein sicher nicht kleiner Teil davon ist auf die Hitze zurückzuführen. Wenn ich mich an die Rallye erinnere, erinnere ich mich zu erst an Sonne. Viel viel Sonne. Und natürlich Staub, besser gesagt feiner Sand in allen Qualitäten, Farben und Körnungen, der von rechts, von links und von unten ins Auto kam. Ich will ehrlich sein, ich wünsche mir mal wieder eine Breslau mit schlamm, so wie wir sie früher hatten. Dazu habe ich einen kleinen Songtext geschrieben.

Wann wirds mal wieder richtig Breslau,
ne Breslau wie sie früher immer war.
Mit Schlamm von Recz bis Zagan
und nicht so trocken und verstaubt wie dieses Jahr.

Im Sommer war die Hitze des Jahrhunderts,
nur tief im Wald gab es mal Schlamm,
Wir fraßen Dreck schon früh am Morgen
und schwitzten uns die klamotten stramm.

2011 sehe ich dann Regen,
es beginnt im Mai und endet im August,
dann fahren wir im U-Boot unter Wegen
und pfeiffen auf den Sommerfrust. :-)

Diese Prophezeiung ist gar nicht von soweit her geholt. Ich erinnere mich an ein trockenes 2006. 2007 war die bis dahin härteste Breslau, voller Schlamm und Wasser. Es hatte lange geregnet und quasi kein Stück Erde war noch trocken. Auch während der Rallye regnete es durch, nicht gerade zur Freude des Services im Camp. 2008 kam wieder ein trockenes Jahr. Selbst eingezeichnete Schlammlöcher waren ausgetrocknet. 2009 war das Jahr der tiefen Flüsse und Moore. Die Wege ansich waren trocken, aber es wurde immer feuchter und wer kennt nicht die Bilder von PKWs und LKWs, die reissende Flüsse mit absurden Tiefen queren? Nun haben wir 2010, es war trocken. Erwähnte ich das schon? Trockener gehts eigentlich nicht. Aber kann man daraus nicht wissenschaftlich sauber ableiten, dass wir 2011 mit dem Armageddon rechnen müssen? Mit Springfluten auf den Truppenübungsplätzen, wir werden Fahrer sehen, die ihre Schnorchel mit Ofenrohren um einen weiteren meter verlängern, die sich Seile um die Reifen wickeln, um noch mehr Grip zu bekommen....Eine Rallye, auf der man tatsächlich "nemo" finden kann. :-))

Für uns war 2010 als Abenteuerurlaub geplant und abenteuerlich wurde es auch. Nicht immer schön, denn Schlafentzug und schlechte Camps trüben den Funfaktor dann schon erheblich. Aber wir sind auch sicher, dass das 2011 anders und besser wird. Es kam auch nach all der Zeit die Erkenntnis dazu, dass man bei einem solchen Event so autark wie möglich sein sollte. Eigene Dusche, eigenes WC (man kann nicht immer in den Wald gehen! - Gerade in Zagan ist da ein Stacheldrahtzaun) und auch eigene Verpflegung als Option in der Hinterhand. Kann ich jedem nur nahe legen. Dafür braucht es ja nicht viel. Ein paar hundert Liter Wasser, ein selbstgemachtes Shit & Show, kleiner Kocher, Topf, Tisch, Stühle. Kann eine wirklich gute Idee sein, sich für die Woche Rally mal nen kleinen LKW zu mieten. Und vergesst nicht einen Unterschlupf...Ein Zelt, ein großes Tarp, einfach ein Schutz vor Sonne oder Regen. Für Euch und Euer Fahrzeug.

Es ist gerade für die PKWs eine feste Gewissheit, dass jeden Tag "geschraubt" wird. Irgendwas ist immer. Wenn man umsichtig war, sind es nur Kleinigekeiten, aber auch die müssen gemacht werden. Da ist es gut, wenn man das in Ruhe erledigen kann und dabei nicht sprichwörtlich im Regen steht oder von einem Sonnenstich übermannt wird.

Gesegnet sind die Teams, die einen eigenen Service dabei haben. Also jemand, der eben ein zusätzliches Fahrzeug mit bewegt und sich um den Transport von Sachen, Tischen, Maschinen, Ersatzteilen, Zelten etc kümmert. Es wird aber oft unterschätzt, wie anstrengend diese Veranstaltung auch gerade für den Service ist. Schon etliche Teams haben den Service während der Rallye verloren oder sich verstritten. Der Service hat eine klar definierte Aufgabe und muss sich derer auch bewusst sein. Was genau, ist natürlich individuell pro Team. Aber in der Regel kümmert er sich um die Infrastruktur im Camp und den Transport - Als Minimum. Er baut das Camp auf und sorgt dafür, dass für die Fahrer alles vorbereitet ist, wenn sie nach der Etappe zurück kommen. Das kann spätin der Nacht sein oder angenehm am Nachmittag. Technischer Service hat den Tag über nichts zu tun, dafür aber am Abend. Man sagt, dass der technische Service als letztes in Bett geht und als erstes aufsteht, denn ihm bleiben ja nur die Stunden, wo das Fahrzeug im Camp ist. Wer die Rallye mal selber mitgefahren ist, weiss welche Strapazen auf Fahrer und Beifahrer mitunter warten und dass die deshalb am Etappenende wirklich fix und fertig sein können. Gerade deshalb ist eine gute Aufteilung der Arbeiten und ein eigenes Engagement sehr wichtig. Man sollte sich blind vertrauen und aufeinander verlassen können. Wenn dies alles vor der Rallye besprochen und besiegelt wird, sollte es für alle ne geile Woche werden.

Wir haben dieses Jahr zum zweiten mal das Rooki-Treffen gemacht und obwohl es orgaseitig einen Zahlendreher in der Uhrzeit gab, kamen schon eine Menge Leute. Ich kann jedem Rooki wirklich nur empfehlen, dieses kleine Treffen zu besuchen. Nicht, weil ich mich selbst so gerne reden höre, sondern weil ein Event dieser Größe und Komplexibilität soviele "Geheimnisse" in sich birgt, dass es oberste Pflicht sein sollte, soviele Fragen wie möglich vorher zu stellen und aus Erlebnissen und Fehlern anderer schon vorher zu lernen. Sei es nun zum Ablauf, die Bedeutung von Roadbuch-Einträgen, das verhalten auf der Strecke, das was einen grundsätzlich erwartet oder einfach Tipps und Tricks für den Navigator, beim Essen etc. Das klassische Beispiel meinerseits ist da immer wieder "Die Sumpfwiese".

Wenn man gut gelaunt an eine Sumpfwiese kommt, in der vor einem schon drei MAN KATs feststecken und sich dahinter dutzende Fahrzeuge stauen, dann ist es Zeit, einmal kurz mit dem Rechnen zu beginnen. Wie lange muss ich warten, bis ich die Querung selbst versuchen kann? Komme ich durch? Wird mir jemand helfen? Wird mein Fahrzeug das überstehen? Ausgelassene Controllpunkte (CPs) kosten zwei Stunden Strafzeit. Wenn ich für die Querung eine Stunde oder mehr brauche, dann lohnt sich auf jeden Fall die Alternative der Umfahrung. Man ist früher im Camp, sauber, das Auto heil, man hat wenige Teilnehmer vor sich 8die stecken ja noch vorm Loch) und man verliert rechnerisch weniger als 60 Minuten.

Andererseits sollte man auch niemals dem Hordentrieb folgen. Nur weil 20 Autos in einer Reihe stehen, heisst das nicht, dass das die einzige Querungsmöglichkeit ist. Ein guter Beifahrer wird das gebiet immer selbst sondieren und Alternativen zur Querung suchen. Nicht selten ist das von Erfolg gekröhnt. Das ist Tipp Nummer zwei - Macht Euer eigenes Ding. Ihr navigiert für Euch, nicht die anderen. Spuren fahren führt schnell zu Verdruss. Klassisches Beispiel weiter oben im Thread - Etliche Teilnehmer queren ein Schlammloch, nur weil es da ist und schon jemand drin steckt.

Gut, weiter ausholen möchte ich im Rahmen dieser kleinen Zusammenfassung auch nicht. Man muss es einfach selbst erleben und ich sage es immer und immer wieder - Dieses Abenteuer ist es einfach wert, gefahren zu werden. Dabeisein ist alles, ist hier eine faire Maxime. Wer dann auch noch ankommt oder gar unter den ersten 50 ist, ist schon ein Sieger. Wir haben ja einige Foristen, die dieses Jahr das erste mal dabei waren und schon ganz vorne gelandet sind. Euch möchte ich meinen größten Respekt aussprechen. Das beweist auch eindrucksvoll, wie weit man mit Ehrgeiz und Kampfesgeist kommen kann. Man braucht keine 100.000 Euro, um im vorderen Feld mitzufahren.

Es ist wichtig, sein Fahrzeug zu respektieren. ich kenne keine Veranstaltung, die sich so gnadenlos am Fahrzeug sichtbar macht. Explodierende Motoren (ich glaube, bei Martin Hähle hat ein Kolben das Haus verlassen), abgesoffene Getriebe, kochende Kühler, brechende Achsen, Wellen, Rahmen, Federn. Alles was kaputtgehen kann, wird auch kaputt gehen, wenn man Pech hat. Selbst die kleinste Schraube, die unachtsam nicht richtig gesichert war, wird sich lösen und in einer grotesken Kettenreaktion weitere Schäden mit sich ziehen. Bei uns war es die Verschlauchung am Getriebe. Es waren sogar zwei Schellen, richtig fest gezogen, eine Verbindung, die sich nie lösen sollte...Und sie löste sich, wir verloren über 5l Getriebeöl in wenigen Sekunden. Zum Glück passierte das im Camp und nicht auf der Strecke. Eigentlich ermahne ich nur dazu, bei der Fahrzeugvorbereitung gründlich zu arbeiten. Keine Kompromisse, achtet auf jedes Detail und stellt Euch vor, wie es sich verhalten würde, wenn man das Fahrzeug zehn Stunden auf eine Rüttelplatte stellt oder es in 1.20m tiefes Wasser stellt für sagen wir mal eine Stunde. Und vergesst die Bergepunkte nicht, am besten Redundant. Wir wiederum hatten am heck des Fahrzeugs eine massive Bergeöse, ein Originalteil mit 20mm Durchmesser, massiv am Rahmen festgeschweisst. Als wir dann Bergehilfe im Moor brauchten, riss der ziehende LKW (er zog extrem langsam) die Öse ab. Sie brach einfach durch, knickte weg. Ich hätte im Leben nicht gedacht, das sowas möglich wäre. Hier ist die Idee, auf etablierte Technik (seriennähe) zu setzen, gar nicht so falsch. Zumindest für den Anfang. Wir hatten dieses Jahr ein sehr potentes Fahrzeug, aber bedingt durch die urig umfangreichen Modifikationen und die fehlende Testphase, schlichen sich kleine Fehler ein, die siehe gerad geschrieben, im Rennen dann zu echten Problemen führten. Abreissende Schellen vom Kühlsystem, ein nicht ausreichend dimensioniertes Verteilergetriebe, überhitzte Rallyecomputer-Sensoren, eine Lambdasonde, die nach Wasserkontakt den Geist aufgab, ein Kühlsystem, dass ein Stück mehr Kühlleistung hätte haben können und eine Anzeige, die ab 100 Grad gerne mal festhängt, ein Hinterachs-Differnetiel, bei dem sich wie von Geisterhand die Schrauben lösen und man schnell Öl verliert. Die Liste ist gar nicht so lang, aber sie wirkt sich maßgeblich aufs Ergebnis aus und kann im blödesten Fall zum Totalausfall werden. Hätte uns Richard86 nicht zur Rallye ein VTG spendiert, was er noch übrig hatte, wäre es für uns schnell vorbei gewesen. Danke Richard! Beide Daumen hoch dafür.

So möchte ich den Rückblick auf die stille zehnte Etappe, das vorher, mittendrin und überhaupt der Rallye abschließen und mich bei allen Zuschauern, Mitlesern und natürlich meinem Team bedanken. Trotz vieler Widrigkeiten, war es ein erlebnisreiches, spannendes und natürlich schönes Jahr 2010. Es ermuntert uns erneut, weiter zu machen und den Wurm nächstes Jahr ein bisschen mehr am Schwanz zu kitzeln.
 
 
 
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